Womenomics im Projektmanagement
Womenomics“ – der Female Shift in der Wirtschaft – ist ein zu lange vernachlässigter globaler Megatrend. Nicht von ungefähr hat der japanische Premierminister Shinzō Abe dieses Phänomen im Jahr 2013 auf den Begriff gebracht: Er signalisierte das erklärte Ziel der politischen Führung Japans, die Gleichberechtigung von Frauen ins Zentrum der japanischen Wirtschafts- und Wachstumsstrategie zu rücken. Ziel war seinerzeit, 30 % der Führungspositionen mit Frauen zu besetzen und die weibliche Erwerbsquote im Alter von 25-44 Jahren von 68 % auf 73 % bis zum Jahr 2020 zu steigern. Oder kurz: Die nach wie vor schlummernden Reserven des Produktionsfaktors „weibliche Erwerbskraft“ für die Wirtschaftsleistung und –entwicklung nutzbar zu machen.
Es geht jedoch um Mehr als nur darum, Potenziale zu nutzen: Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt und vor allem die Karrieremöglichkeiten ist nicht nur eine volks- und betriebswirtschaftliche Frage, sondern mindestens ebenso sehr eine gesellschaftliche. Kaum ein Staatund kaum ein Unternehmen kann es sich leisten auf 50 % der Arbeitskraft zu verzichten, zumal diese meist sehr gut ausgebildet ist. Und keine Gesellschaft kann verantworten, der Hälfte seiner Bevölkerung die gleichen Entwicklungschancen wie der anderen Hälfte vorenthalten. Gender Diversity ist damit längst kein Nischenthema mehr. Es ist im politischen und wirtschaftlichen Mainstream und in den Entscheidungsprozessen als wichtige Größe angekommen. Wie steht es nun um Gender Diversity im Projektmanagement?
Frauen sind die „untapped resource“ – die nicht vollständig ausgeschöpfte Ressource – des Arbeitsmarktes. Laut einem Szenario des McKinsey Global Institute könnte das globale Wirtschaftswachstum um 12 Billionen US-Dollar bis zum Jahr 2025 steigen sofern Frauen ihr volles Potenzial auf dem Arbeitsmarkt entfalten. Im Projektmanagement sind die Gender-Verhältnisse ebenfalls noch nicht paritätisch. Wie die GPM Studie aus dem Jahr 2014 zeigt, ist der Anteil von Frauen im Projektmanagement mit weit unter 40 Prozent steigerungsfähig. Gute Neuigkeiten gibt es trotzdem: gerade der Anteil junger Frauen im Alter von unter 30 Jahren wächst. So ist zu erwarten, dass Projektmanagement in den kommenden Jahren weiblicher wird.
Doch wie kann ein Unternehmen im Klima des „War for Talent“ junge Frauen für das Projektmanagement gewinnen und begeistern? Wie kann die Realisierung von Gender- Diversity runter vom Flugblatt und langfristig in die Praxis umgesetzt werden?
Die Projektmanagerin – eine Bestandsaufnahme
Die Datenlage zur Situation von Frauen im Projektmanagement ist lückenhaft, um es vorsichtig auszudrücken. Verfügbare Statistiken des Project Management Institute (PMI) gehen von einem weltweiten Frauenanteil von ca. 20-30 % im Projektmanagement aus. Die letzte Studie der in Deutschland ansässigen Gesellschaft für Projektmanagement (GPM) aus dem Jahr 2014 kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: demnach sind ca. 30 % der deutschen Projektmanager weiblich. Dabei gibt es eine gute Nachricht: Die Tendenz ist steigend!
Die meisten weiblichen Karrieren im Projektmanagement entstehen „zufällig“ oder anders gesagt: die wenigsten Hochschulabsolventinnen strebten ursprünglich eine Projektmanagementkarriere an. Die überwiegende Mehrzahl hat zunächst in Fachpositionen begonnen und ist mit der Zeit in den Beruf der Projektmanagerin hineingewachsen. Dieser Perspektiv- und Verantwortungswechsel geht regelmäßig mit Weiterbildungsmaßnahmen einher: Mit Übernahme der ersten Projektverantwortung beginnen Frauen zunehmend, sich für das neue Tätigkeitsfeld auch formal zu qualifizieren, z.B. durch zertifizierte Fortbildungen.
Die berufliche Zufriedenheit ist dabei durchaus gegeben: Projektmangerinnen schätzen die Einzigartigkeit von Projekten und die Zusammenarbeit mit verschiedenen Teams und Kunden. Darüber hinaus genießen sie es, an der Erreichung eines Ziels gemeinsam mit anderen Menschen zu arbeiten und dadurch konkrete Ergebnisse zu erzielen. Geschlechtsspezifische Herausforderungen, ja Hürden gehören damit jedoch keineswegs gänzlich der Vergangenheit an. Projektmanagement ist nach wie vor eine „Männerdomäne“. Entsprechend häufig berichten weibliche Führungskräfte davon, sich erst einmal durchsetzen und mit gängigen Stereotypen aufräumen zu müssen. Auch fehlt es an weiblichen Vorbildern. Schließlich stehen Frauen immer noch in stärkerem Maße als Männer vor der Herausforderung, Beruf und Privatleben im Projektalltag miteinander zu vereinbaren.
Die Arbeit im Projektmanagement ist auch für Frauen durchaus lukrativ – allerdings nicht so lukrativ wie für männliche Kollegen. Erst in diesem Jahr hat die GPM die 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement veröffentlicht. Im Durchschnitt verdient ein Projektmanager rund 87 T€ in Deutschland; sein weibliches Pendant rund 11% weniger. Der PMI Salary Report von 2020 kommt sogar auf ein Gap von satten 16 % in Deutschland. Dabei wächst der Gender Pay Gap mit der Verantwortung bzw. Seniorität: In den höchsten Projektmanagementstufen liegt er bei sage und schreibe 26,3 %, während Frauen im Einstiegslevel „nur“ eine Gehaltslücke von 4,7 % hinnehmen müssen.
Hier bietet sich die intuitive Erklärung an, dass Frauen und Männer mit zunächst gleichen Voraussetzungen und Qualifikationen ins Berufsleben starten. Das danach aufklaffende Gehaltsgefälle könnte sowohl Folge der Entscheidung für eine Familie der Frauen und damit einhergehend auch die Entscheidung, weniger Zeit für den Beruf aufzubringen, sein. Denkbar sind aber auch andere Hintergründe, die Frauen an einem Aufstieg hindern, wie die Scheu vor zunehmender Sichtbarkeit und Verantwortung, die mit der Übernahme von Leitungspositionen einhergeht.
Zum internationalen Vergleich: der Gender Pay Gap im Projektmanagement liegt in Großbritannien bei ca. 14 %, 11,5 % in Frankreich und 10 % in den USA. In der Schweiz, welches das Land mit den höchsten Gehältern für Projektmanager und Projektmanagerinnen ist, liegt der Unterschied bei 5,5%.
Frauen tun Projekten und Unternehmen gut
Die Arbeitswelt wandelt sich weiter und setzt dabei ihre Entwicklung hin zu einer „Project Economy“ fort. Der Anteil von Projektarbeit an der Gesamtwertschöpfung betrug in Deutschland bereits in 2019 ca. 40 %. Bis zum Jahr 2027 soll der Bedarf an Projektmanagern weltweit um 33 % steigen. Ein Schlüssel zu Wettbewerbsvorteilen in dieser neuen Arbeitswelt stellt leistungsfähiges und -williges Personal dar, um die Projekte erfolgreich abzuschließen. Frauen werden damit an kritische Ressource absehbar weiter an Bedeutung gewinnen. Dabei bringen Frauen schon längst Mehrwert in Projekten und sind deshalb für Projekte kein nice-to-have, sondern ein Business Case.
Es ist allgemein bekannt, dass Diversität im Projektmanagement – auch hinsichtlich der gender balance – zu besseren Projektergebnissen und einer nachhaltigen Verankerung des Projektes in den betreffenden Unternehmen und Organisationen führt. In Projekten können Frauen ihre Stärken ausspielen, d.h. sie können Menschen zusammenbringen und die Arbeit an einem gemeinsamen Ergebnis vorantreiben. Sie können schnelle und pragmatische Lösungen für komplexe Fragestellungen finden und gut kommunizieren. Gerade letzteres ist ein kritisches Asset im Projektmanagement.
Und nun – wie mehr Gender Diversity im Projektmanagement
Wir alle können dazu beitragen, den Frauenanteil im Projektmanagement weiter zu steigern. Abschließend einige plakative Beispiele als best-practice:
1. Sichtbarkeit des Tätigkeitsfeldes „Projektmanagerin“ und Frauen im Projektmanagement erhöhen
Tätigkeitsfeld und die positiven Beiträge, die besonders Frauen leisten können, sollten klar kommuniziert werden. Wie sieht der Alltag einer Projektmanagerin aus? Was sind die guten Seiten und was die Herausforderungen? Wie wird Frau Projektmanagerin? Das alles sind Fragen, die für viele (junge) Frauen noch nicht ausreichend geklärt sind.
Neben den Bemühungen des PMI Institute, der IPMA und GPM ist hier vor allem die jährliche „Celebrating Women in Project Management“ Initiative der australischen Autorin Elise Stevens als Vorbild zur Nachahmung zu empfehlen. Stevens portraitiert über 150 Tage im Jahr erfolgreiche Frauen im Bereich „Projektmanagement“ und stellt diese in den sozialen Medien vor. Auch das Buch von Autorin Sarah Ipek Ozguler, die 29 Projektmanagerinnen weltweit interviewt hat, zeigt exemplarische Karrierepfade erfolgreicher Projektmanagerin auf. Aber auch Aspirantinnen selbst können über Personal Branding in sozialen Netzwerken auf sich und ihren Beruf aufmerksam machen.
2. Schaffung und Förderung von Vernetzungsmöglichkeiten
Projektmanagerinnen wollen und müssen sich mit anderen Vertreterinnen des Berufsstandes austauschen und vernetzen, um voneinander zu lernen und einander zu unterstützen. In Deutschland bietet bisher vor allemdie GPM mit den PM-Expertinnen ein Forum für weibliche Projektmanagerinnen. Unternehmen können, ja sollten auch innerhalb der eigenen der eigenen Organisation ähnliche Foren für Austausch und interne Netzwerkpflege etablieren.
Neben der reinen Vernetzung können Projektmanagerinnen in eine Mentoringbeziehung eintreten (das funktioniert übrigens auch geschlechterübergreifend). Dabei geht es beim Mentoring noch viel mehr als beim reinen Netzwerken darum, gegenseitig neue Möglichkeiten des Lernens und Wachsens zu ermöglichen. Mittlerweile gibt es in Deutschland einige Mentoring-programme, von denen Mentorme sicherlich die größte und erfolgreichste Community ist.
Auch wenn es also erfolgversprechende Ansätze gibt, ist hier noch deutlich Luft nach oben. Bleibt zu hoffen, dass die bisher bei Weitem noch nicht ausgeschöpften Reserven der „Womenomics“ erkannt und genutzt werden, um das in diesem Megatrend schlummernde Potenzial für die wirtschaftliche, aber eben auch gesellschaftliche Entwicklung voll zur Entfaltung zu bringen.
Verwendete Quellen:
Artikel:
- Womanomics: Frauen erobern die Arbeitswelt
- Womenomics und die japanische Realität
- Women in Project Management: Future Perspectives
- Women Project Managers: the exploration of their job challenges and issue selling behaviors
Studien:
- Studie zur aktuellen Situation von Frauen im Projektmanagement der GPM (2014)
- PMI: Earning power, Salary Report 2020
- PMI: A case for diversity (2020)
- PMI: Pulse of the profession (2020)
Bücher:
- Ozguler, Sarah Ipek (2019): The Perspective of Women Project Management Professionals